Fall Gustl Mollath
Am 31.Juli 2013 fand ein Diskussions- und Info-Abend zum Fall Gustl Mollath im Oberbräu Weilheim statt. Die Anwesenden lauschten sehr interessiert und wissbegierig den Ausführungen von MdL Florian Streibl und Herrn Dr. Wilhelm Schlötterer. Nach eineinhalb Stunden des Zuhörens schloss sich noch eine Diskussion von etwa einer Stunde an.
Bei der Diskussion stellte sich heraus, dass der Fall Mollath jedem passieren kann und vielen vermutlich auch widerfahren ist, die noch heute in der Psychiatrie einsitzen und dem Zusammenspiel von Politik, Justizministerium, Staatsanwaltschaft und Richtern hilflos ausgeliefert sind.
Bild v.l. Dr. Wilhelm Schlötterer, MdL Florian Streibl, Monika Drasch, Landtagskandidat Matthias Demmel.
Kurze Zusammenfassung der Thematik des Abends:
Versäumnisse der Staatsanwaltschaft:
• Die Staatsanwaltschaft hat trotz konkreter Anhaltspunkte in den Strafanzeigen Herrn Mollaths nicht einmal Vorermittlungen durchgeführt, obwohl ihr das möglich gewesen wäre. Eine ordnungsgemäße Prüfung ist nicht erkennbar. Die Staatsanwaltschaft hat gegen ihre Pflicht zur Objektivität verstoßen. Während die Anzeigen von Herrn Mollath nicht ernsthaft geprüft wurden, wurden Anzeigen gegen ihn sehr wohl weiterverfolgt und angeklagt. Eine kritische Überprüfung der staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen durch die Generalstaatsanwaltschaft oder das Ministerium im Rahmen der Fachaufsicht hat nicht stattgefunden.
• Bei der Vorbereitung eines Wiederaufnahmeantrags hat die Staatsanwaltschaft Regensburg gründlich und objektiv gearbeitet. In den beiden ersten Anträgen vom 18.12.2012 und vom 06.02.2013 wird wegen der zahlreichen Rechts- und Verfahrensverstöße von einer Rechtsbeugung des Richters ausgegangen. Allerdings hat Generalstaatsanwalt Nerlich dafür gesorgt, dass alle Wiederaufnahmegründe, die ein Versagen der Justiz bedeutet hätten, aus dem letztendlich eingereichten Antrag entfernt wurden. Dass sich das Ministerium hier herausgehalten haben will, ist nicht glaubhaft. Es hätte im Interesse des Rechtsstaats und auch einer vernünftigen Fehlerkultur in der Justiz gelegen, die von der Staatsanwaltschaft Regensburg herausgearbeiteten Rechtsbeugungen in den Wiederaufnahmeantrag aufzunehmen.
Versäumnisse der Finanzbehörden:
• Die Aussage des Richter Brixners gegenüber den Finanzbehörden war neben der Arbeitsüberlastung und der Absicht, wertvolle Ressourcen für „größere Fälle“ zu schonen, ursächlich dafür, dass 2004 keine Ermittlungen erfolgten. Der Stempel „Spinner“ wurde nicht hinterfragt und hat auch 2010 und sogar bis heute dafür gesorgt, dass Herr Mollath nicht ernst genommen wurde.
• Die Ermittlungen, die 2012 endlich aufgenommen wurden, hätten schon viel früher aufgenommen werden können. Die Anzeige aus 2003 und die Verteidigungsschrift hätten ausgereicht, um Ermittlungen aufzunehmen. Heute steht fest, dass die Angaben von Herrn Mollath weitgehend zutrafen, weswegen nun über zwanzig Verfahren geführt werden und bereits Razzien bei zwei Banken stattfanden. Die Ermittlungen betreffen Steuerpflichtige, welche von Herrn Mollath bereits 2003 benannt worden waren. Diese Tatsache und die Tatsachen, dass einige der Verfahren bereits mit Strafbefehlen abgeschlossen werden konnten und dass es daneben in mindestens zwei Fällen zu strafbefreienden Selbstanzeigen gekommen ist, belegen, dass die Anzeigen von Herrn Mollath eben nicht substanzlos waren. Die Selbstanzeige war allein wegen des Zeitablaufs erforderlich, weil sie bestätigte, dass es noch immer Steuerhinterziehungen aus dem von Herrn Mollath angezeigten Personenkreis gibt; eine Bestätigung, die 2003 nicht nötig gewesen wäre. Die Ermittlungsmöglichkeiten in die Schweiz haben sich seit 2003 nicht verändert. Die Anforderung von Negativattesten, Durchsuchung und Vernehmungen waren schon immer möglich. Noch immer wirkt sich allerdings der Stempel „Spinner“ für Herrn Mollath aus. So wird er auch in den aktuellen Ermittlungen der Steuerfahndung nicht als Zeuge befragt.
Versäumnisse des Justizministeriums
• Die fachaufsichtliche Kontrolle im Justizministerium hat doppelt versagt. Mögliche Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung wurden nicht vorgenommen, obwohl das Ministerium schon 2004 alle notwendigen Unterlagen vorliegen hatte. Die Fachaufsicht wurde 2005 sogar komplett verweigert, indem Herr Mollath an die Behörde zurückverwiesen wurde, gegen die sich seine Beschwerde richtete. Für Herrn Mollath wurde Entlastendes schlicht ignoriert und Ermittlungen zu seinen Gunsten wurden nicht vorgenommen.
• Das Krisenmanagement der Ministerin war katastrophal. Sie hat von Anfang an vehement verlautbaren lassen, dass aus ihrer Sicht alles richtig gemacht worden sei. Sie hat Informationen an den Landtag und auch gegenüber der Öffentlichkeit stets einseitig und zulasten Herrn Mollaths dargestellt (vermeintliches Qualitätssiegel BGH, Verteidigungsschrift als abstruses Sammelsurium nicht ursächlich für die Unterbringung etc.). Außerdem hat sie in der Öffentlichkeit, aber auch vor dem Untersuchungsausschuss eine Reihe von juristisch sehr angreifbaren Argumentationen und Halbinformationen präsentiert (zum Anfangsverdacht, Befangenheit nur Revisionsgrund, HVB-Bericht nur Scheinkronzeugensatz etc.). Eine Bereitschaft, die Vorgänge kritisch zu hinterfragen und neue Erkenntnisse zur berücksichtigen, zeigte die Ministerin erst, als Forderungen nach ihrem Rücktritt laut wurden und der Ministerpräsident sich einschaltete. Der Verweis der Ministerin auf die „unabhängigen Gerichte“ und dass ihr eine Bewertung nicht erlaubt sei, wird von ihr nur vorgeschoben. Denn die Ministerin hat von Anfang an sehr wohl persönliche Wertungen vorgenommen und ihre persönliche Meinung zum Fall Mollath vertreten.